THEORIE

Die Homöopathie ist ein Heilverfahren, bei dem die Kranken mit solchen Mitteln in hoher Verdünnung behandelt werden, die in grösserer Menge bei einem Gesunden ähnliche Krankheitserscheinungen hervorrufen.

 

In diesem Satz sind bereits drei wichtige Grundlagen der Homöopathie enthalten:

 

1. Das Ähnlichkeitsgesetz

2. Die Arzneimittelprüfung

3. Die Potenzierung der Arzneistoffe

  

Das Ähnlichkeitsgesetz

‚Similia similibus curentur’ heisst übersetzt ‚Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden’. Alle homöopathischen Mittel wirken nach diesem Ähnlichkeitsgesetz. Diese wichtigste Grundlage der Homöopathie lässt sich an einem simplen Beispiel erklären: Die typischen Kennzeichen einer Erkältung sind Tränen- und Nasenfluss, Augenbrennen, Kitzeln der Nase, Niesreiz etc. Dies sind dieselben unangenehmen Reaktionen, die man auch beim Schneiden einer Zwiebel beobachten kann.

 

Der Patient mit der Erkältung kann nun also am besten mit dem Mittel geheilt werden, das beim gesunden Menschen dieselben Symptome erzeugt. In diesem Falle, das aus der Küchenzwiebel hergestellte homöopathische Mittel Allium cepa.

 

Allgemein ausgedrückt wird in der homöopathischen Therapie nach einer Substanz gesucht, die bei Überdosierung ähnliche Symptome erzeugen würde, wie jene, an denen der kranke Mensch leidet. Wenn diese Übereinstimmung vorhanden ist, wird die betreffende Substanz in einer kleinen Dosis verabreicht.

 

Das Ähnlichkeitsprinzip wurde schon lange vor Hahnemann von Hippokrates (460-377 v. Chr.) und Paracelsus (1493 – 1541) formuliert und auch in vielen Kulturen angewandt, zum Beispiel bei den Mayas, den Chinesen, nordamerikanischen Indianern und den Indern. Doch erst Hahnemann hat dieses Prinzip weiterentwickelt und daraus eine Wissenschaft und Heilmethode entstehen lassen.

 

 

Die Arzneimittelprüfung

In der Homöopathie wird der Wirkungsumfang einer homöopathischen Arznei durch Experimente, sogenannte Arzneimittelprüfungen, festgestellt. Diese sehr aufwendigen Experimente finden am gesunden Menschen statt und erfolgen noch heute weitgehend nach den Vorschriften Hahnemanns. Der Zweck der Arzneimittelprüfungen ist es herauszufinden, wie der menschliche Organismus auf homöopathische Arzneien reagiert. Hierzu wird einer Gruppe gesunder Menschen in regelmässigen Abständen das zu prüfende Mittel verabreicht. Testperson und prüfender Therapeut wissen nicht, um welche Substanz es sich handelt (sog. Doppelblindstudie).

 

Die Arzneien werden heute meist in verschieden hohen Potenzen geprüft, um das ganze Spektrum des Mittels zu erkunden. Die Arzneien werden so lange verabreicht, bis sich eine Reaktion auf die Substanz zeigt. Die Testpersonen sollen daher alle neu aufgetretenen physischen und psychischen Symptome detailliert aufzeichnen und anschliessen mit dem Therapeuten besprechen.

 

Mögliche Symptome wären zum Beispiel:

- Gleichgültigkeit gegenüber der Familie

- Träume von lustigen Sachen

- Angst in der Dunkelheit

- Verlangen ins Freie, an die frische Luft zu gehen

- Ins linke Bein ausstrahlende, ziehende Rückenschmerzen, die sich durch Kälte und Bewegung bessern

- Stechende Schmerzen im rechten Knie

- Trockener Mund

 

Durch Einzelbefragungen werden noch zusätzliche Symptome ausfindig gemacht. Wenn diese besonders unangenehm oder schmerzhaft sind, wird die Einnahme der betreffenden Substanz abgebrochen.

 

Sind die Symptome die eine Substanz hervorruft, einmal bekannt, weiss mach auch, welchen Einfluss die Substanz ausübt und was sie als homöopathisch potenziertes Heilmittel in kleinen Gaben zu heilen vermag. Die so enthaltenen Ergebnisse der Prüfung werden in der ‚Materia Medica Homöopathica’ (nach Arzneimittel geordnete Enzyklopädie) zusammengefasst und ins ‚Repertorium’ (nach Symptomen geordnete Enzyklopädie) aufgenommen.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass ein homöopathisches Mittel auf keinen Fall schaden könne. Nimmt jemand über längere Zeit das selbe falsche potenzierte Mittel ein, besteht die Gefahr einer ungewollten Arzneimittelprüfung. Der Patient produziert also Symptome des Medikamentes, das er eigentlich zu Heilzwecken eingenommen hat. Die Tatsache, dass potenzierte Arzneimittel nicht nur heilen, sondern auch Symptome hervorrufen können, kann als Beleg für die biologische Wirksamkeit hochpotenzierter Mittel verstanden werden.

 

 

Die Potenzierung der Arzneistoffe

Hahnemann stellte bald fest, dass viele Stoffe auf den Organismus zu aggressiv wirkten. Zu häufig erlebte er toxische Nebenwirkungen und Erstverschlimmerungen. Daher verkleinerte er die Dosen seiner Arzneimittel zunehmend durch Verschütteln mit verdünntem Alkohol oder durch Verreiben mit Milchzucker in Schritten von 1:100. Er verdünnte und verschüttelte die Arzneien schliesslich soweit, dass rein rechnerisch kein Molekül der Ausgangssubstanz in der Lösung mehr enthalten sein konnte.

 

Überraschenderweise stellte Hahnemann dabei jedoch fest, dass die Wirksamkeit mit der Verdünnung nicht abnahm, sondern im Gegenteil sogar zunahm, und dass sich auch völlig neue Wirkungen ergaben, die er in Arzneimittelprüfungen an sich selber und anderen weiter beobachtete und dokumentierte. In der Behandlung seiner Patienten hatten die potenzierten Arzneimittel eine tiefere und anhaltendere Wirkung als die Rohsubstanzen. Hahnemann sprach deshalb auch nicht mehr von einer Verdünnung, sondern von Potenzierung und Dynamisierung. Weitere Prüfungen und Anwendungen bestätigen das Paradoxon, dass die Arzneimittel so im schulmedizinischen, materiellen Sinne dünner werden, im homöopathischen Sinne aber immer dynamischer und potenter.

 

In der Schulmedizin wird immer die optimale therapeutische Dosis gesucht, die eben noch ungiftig und doch maximal wirksam ist. Die Arzneidosis erzwingt so in regelmässiger Verordnung eine Wirkung, die bald abklingt, wenn die Arznei abgesetzt wird. Die Homöopathie verfolgt ein völlig anderes Ziel: mit Impulsen soll eine Reaktion ausgelöst werden, wodurch der Patient die Erkrankung schliesslich aus eigener (Selbstheilungs-) Kraft überwinden kann.

 

Als Ausgangsstoffe für homöopathische Heilmittel werden verschiedene Substanzen verwendet:

 

  • Pflanzen wie Aconitum, Belladonna, Bryonia, Chamomilla oder Pulsatilla
  • Tiere wie Apis (Honigbiene) oder Lachesis (Gift der Klapperschlange)
  • Mineralien und Metalle wie Aurum, Calcium carbonicum oder Sulfur
  • Menschliche oder tierische Krankheitsprodukte, Gewebe oder Sekrete wie Carcinosium, Psorinum oder Tuberculinum
  • Pharmazeutisch hergestellte Stoffe wie Hormone oder Medikamente

 

Je nach Ausgangssubstanz werden diese Stoffe mit Alkohol versetzt (frische Pflanzensäfte) oder extrahiert (getrocknete Pflanzen oder tierische Substanzen), zu wässrigen oder alkoholischen Lösungen verarbeitet (Salze, Säuren oder andere wasserlösliche Stoffe) oder mit Milchzucker verrieben (unlösliche Substanzen wie Mineralien). Flüssige Ausgangssubstanzen werden dann als Urtinktur bezeichnet, Verreibungen als Ursubstanz und werden mit dem Zeichen Ø markiert.

 

Wird nun diese Urtinktur oder Ursubstanz im Verhältnis 1:100 mit einem Lösungsmittel verschüttelt oder verrieben, spricht man von einer C1, wird diese wieder 1:100 verschüttelt/verrieben, von einer C2 und so weiter.

 

Homöopathische Arzneimittel sind heute in drei verschiedenen Potenzierungsformen erhältlich:

Potenzform Verdünnungsschritte Übliche Potenzschritte
D-Potenzen 1:10 D6, D12, D30, D200, D1000
C-Potenzen 1:100 C6, C12, C30, C200, C1000, C10'000, C50'000, C100'000
Q- bzw. LM-Potenzen 1:50'000

Q3, Q6, Q9, Q12, Q15, Q18, ...

   
     
   

In der Schweiz werden von Therapeuten üblicherweise die C- und Q-Potenzen verwendet. Diese wurden beide noch von Hahnemann entwickelt. Die D-Potenzen gehen auf Constantin Hering, einen Nachfolger Hahnemanns, und auf die sogenannte naturwissenschaftlich-kritische Richtung der Homöopathie zurück. D-Potenzen werden häufig für handelsübliche Komplexmittel wie Similasan verwendet.

 

Bei akuten, organischen Krankheitsbildern werden von den meisten Homöopathen eher tiefere Potenzen verordnet (C6, C12, C30), bei chronischen oder psychischen Beschwerden eher hohe C- (C30, C200 und höher) oder dann Q-Potenzen.

 

Das Wirkspektrum scheint bei niedrigen Potenzen mit noch materieller Dosis ‚breiter’ zu sein. Das heisst, auch bei nicht ganz exakter Verordnung ist noch mit einer Wirkung zu rechnen. Taschenapotheken für Laien sind daher eher mit D- oder C30er-Potenzen ausgestattet.



GESCHICHTE

Samuel Hahnemann und die Entstehung der Homöopathie

Dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann, war schon bekannten Ärzten wie Hippocrates und Paracelsus bekannt, doch erst Samuel Hahnemann entwickelte diese Theorie weiter bis zur eigenständigen Heilkunst, der Homöopathie.


Christian Friedrich Samuel Hahnemann wurde am 10. April 1755 in Meissen geboren. Sein Vater war Porzellanmaler. 1775 – 1779 studierte er Medizin an den Universitäten Leipzig und Wien. Neben dem Studium bildete er sich autodidaktisch in Sprachen und Naturwissenschaften weiter. Er beherrschte schliesslich neben seiner Muttersprache sieben weitere Sprachen. So konnte er sich das Medizinstudium mit Übersetzungen und Fremdsprachenunterricht verdienen.

 

1782 heiratete der junge Arzt Henriette Leopoldine Küchler, die Stieftochter eines Apothekers, bei welchem Hahnemann zuvor seine Kenntnisse in Chemie und Arzneimittelherstellung vertiefte. Hahnemann eröffnete eine ärztliche Praxis, war aber mit den damals üblichen Behandlungen nicht einverstanden. Aus diesem Grunde schloss er nach bloss zwei Jahren seine Praxis und widmete sich fortan der Chemie und Schriftstellerei und verdiente seinen Lebensunterhalt mit der Übersetzung medizinischer Werke.

 

1790 übersetzte er die Materia Medica von William Cullen (einer der bekanntesten Ärzte seiner Zeit) über die Behandlung der Malaria mit Chinarinde. Dieser schrieb die Wirkung bei Malaria der bitteren und zusammenziehenden Eigenschaft der Chinarinde zu. Hahnemann glaubte jedoch, dass die Wirkung auf einen anderen Faktor zurückzuführen sei, denn es gäbe Substanzen, die weitaus bitterer und von stärker zusammenziehender Kraft seien, bei der Behandlung von Malaria aber keine Wirkung zeigten. Hahnemann entschloss sich zum Selbstversuch.

 

Seine Feststellung war erstaunlich: durch die Einnahme der Chinarinde zeigten sich dieselben Symptome, die auch bei Malaria auftreten. Hahnemann hatte durch diesen Versuch das Ähnlichkeitsprinzip nachgewiesen, dass also Ähnliches (Krankheitssymptome) mit Ähnlichem (Arzneimittelwirkung) geheilt werden kann: Similia similibus curentur. Hahnemann prüfte seine These weiter und führte an sich, seiner Frau, seinen elf Kindern und mit engen Freunden weitere Arzneimittelprüfungen durch, bis er sechs Jahre später im Jahr 1796 seine Theorie publizierte. 1796 wird seither als Geburtsjahr der Homöopathie bezeichnet. Das Ähnlichkeitsprinzip war jedoch schon lange vor Hahnemann bei Ärzten von Hippocrates bis Paracelsus bekannt, doch erst Hahnemann entwickelte die Theorie weiter zur eigenständigen Heilkunde.

 

Bei seinen Selbstversuchen stellte Hahnemann fest, dass viele Stoffe auf den Organismus zu aggressiv wirkten, die Symptome verschlimmerten sich. Er begann diese Arzneigrundstoffe zu verdünnen. Dabei merkte er bald, dass das blosse Verdünnen die Heilkraft des Mittels allmählich vollständig zum Verschwinden brachte. Also begann er die Grundstoffe stufenweise mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch zu verdünnen und was hierbei sehr wichtig ist, diese neue Lösung nach jedem Verdünnungsschritt kräftig zu verschütteln. Durch diesen Vorgang der Potenzierung wird die Kraft des Heilmittels erst entfaltet und somit die Heilwirkung verstärkt.

 

1810 publizierte Hahnemann sein Hauptwerk, die erste Auflage des Organons der rationellen Heilkunde, in welchem er die Theorie und Praxis der Homöopathie darstellte. Bis zu seinem Tod sollen noch 4 weitere Auflagen folgen, die sechste und letzte wird erst 80 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.

 

Von 1811 – 1821 hielt Hahnemann Vorlesungen über die Homöopathie an der Universität Leipzig, veröffentlichte weitere Werke wie die Reine Arzneimittellehre und begann die Krankengeschichten seiner Patienten ganz detailliert aufzuzeichnen und auszuwerten. Er erkannte dabei, dass die einzelnen Erkrankungen eines Patienten und seiner direkten Vorfahren oder Nachkommen in starkem Zusammenhang standen. So entwickelte er die Miasmenlehre, die er 1828 in seinem Werk der Chronischen Krankheiten veröffentlichte.

 

Hahnemann’s Lebenswandel kann man bisher als eher bieder bezeichnen: er genoss Dünnbier und rauchte, pflegte Pünktlichkeit und Regelmässigkeit. Sein Leben war geprägt von Existenzsorgen, Umzügen, Praxiswechseln. Umso überraschender waren seine Veränderungen nach dem Tod seiner Frau Henriette 1830, als er sich 1834 im stattlichen Alter von 78 Jahren in eine glühende Verehrerin seiner Heilkunst verliebte. Mélanie war 36-jährig und Künstlerin aus Paris. Nur ein Jahr später heirateten sie und zogen nach Paris. In Deutschland hinterliess er eine zerstrittene Anhängerschaft, Feinde aufgrund seines cholerischen Temperaments und erbschleichende Kinder. In Paris hingegen genoss er alle Verehrungen, führte zusammen mit Mélanie eine lukrative Praxis mit Patienten aus ganz Europa, veröffentlichte weitere Schriften und nahm am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teil.

 

Am 2. Juli 1843 starb er im hohen Alter von 88 Jahren an den Folgen einer Bronchitis. Er wurde auf dem Pariser Friedhof von Montmartre beigesetzt, 1889 jedoch auf den Prominentenfriedhof Père-Lachaise überführt, wo sein Grab noch heute besucht werden kann.

 

1921, also erst 111 Jahre nach der ersten Ausgabe des Organons, erscheint die 6. Ausgabe mit vielen Erweiterungen, neuen Herstellungsverfahren für homöopathische Arzneien und Dosierungsrichtlinien. Auch die Herstellung und Dosierung der Q- / resp. LM-Potenzen wird erst in dieser 6. und letzen Ausgabe des Organons publiziert.

 

Durch Schüler und Nachfolger Hahnemanns breitete sich die Homöopathie über die ganze Welt aus und hat heute ihre Hauptschwerpunkte in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Südamerika und vor allem auch in Indien.